Der Tübinger Zahnmediziner Priv.-Doz. Dr. Rainer Hahn erhält den diesjährigen Miller-Preis, der mit 10.000 DM dotiert ist. Das ist die ranghöchste deutsche Auszeichnung, die im Bereich der Zahnmedizin zu vergeben ist. Die Preisverleihung findet am 3. Oktober in Ulm statt anlässlich der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde.
Dr. Rainer Hahn kommt diese Ehrung zuteil für seine Forschungen auf dem Gebiet der alternativen Zahnersatzwerkstoffe. Es ist dem 34jährigen gelungen, eine neue Art keramischer und polymer-keramischer Verbindungen zu entwickeln, die alternativ zu Metallegierungen oder Amalgam eingesetzt werden könnten, den Körper weniger belasten und gleichzeitig den gewachsenen ästhetischen Ansprüchen gerecht werden.
Die bisher in Betracht gekommenen Ersatzstoffe zu Amalgam bestehen aus Kunststoff oder Keramik. Doch haben Kunststoffe den Nachteil, daß sie schrumpfen, wenn das Material hart wird. Das ermöglicht Kariesbildung, da neue Spalten zwischen Zahn und Füllung entstanden sind. Keramische Passkörper, sogenannte 'Inlays', müssen wiederum in einem aufwendigen mehrstufigen Verfahren labortechnisch hergestellt werden. Zusätzlich wird die Zahnoberfläche physikalisch-chemisch verändert, damit die einzuklebenden Inlays überhaupt haften. Diese Methode ist arbeits- und kostenintensiv und nur bei günstigen Voraussetzungen anwendbar.
Die von Dr. Rainer Hahn entwickelten Zahnersatzwerkstoffe haben den Vorteil, daß weniger Arbeitsschritte für ihre Herstellung nötig sind und sie direkt am Patienten gefertigt werden können. So entstehen weniger Fehler bei der Erstellung des Materials. Dieses Verfahren ist außerdem billiger im Vergleich zu herkömmlichen keramischen Werkstoffen. Zusätzlich kann es in ähnlich vielen zahnmedizinischen Bereichen wie Edelmetallegierungen oder Amalgam Anwendung finden, da das neue Material wie natürliche Zähne sowohl schmelzähnliche keramische wie zahnbeinähnliche polymerorganische Eigenschaften besitzen kann.
Bisher sind die neuen Werkstoffe nur experimentell erprobt worden. Dazu wurden sie unter anderem in extrahierte Zähne eingefüllt, und diese einem Belastungstest mit simulierter Kaubeanspruchung ausgesetzt. Vor einem ersten klinischen Einsatz am Patienten müssen die neu entwickelten Werkstoffe jedoch weiter verbessert werden, denn ästhetisches Erscheinungsbild und Risszähigkeit entsprechen noch nicht den Erfordernissen. Es wird voraussichtlich noch mindestens ein Jahr dauern, bis die ersten klinischen Versuche beginnen können.
Weitere Schwerpunktgebiete des Preisträgers sind restaurative Einzelzahnversorgung, Anwendung von Ultraschall in der Zahnheilkunde, Plaquebildung und Möglichkeiten ihrer Entfernung auf unterschiedlichen Oberflächen.
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